Erwachen in Zeiten des Klimawandels

Ein Beitrag von David R. Loy veröffentlicht in der Ausgabe 2016/2 Hoffnung und Furcht unter der Rubrik Hoffnung und Furcht. (Leseprobe)

Wenn sich der Buddhismus mit der ökologischen Krise befassen und Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit geben will, muss er sich über seine Kernbotschaft klar werden – so der buddhistische Gelehrte David R. Loy.

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Der Klimawandel stellt die größte uns bekannte Bedrohung der menschlichen Zivilisation dar. Diese Gefahr kommt nicht von außen, sondern wir schaffen sie selbst. Und unsere kollektiven Reaktionen bleiben sehr weit hinter den Erfordernissen zurück, wenn sie nicht sogar völlig unerheblich sind. Dabei ist die Klimakatastrophe nur Teil einer sehr viel größeren ökologischen Krise. Wir können die Zerstörung der Natur nicht einfach dem Anstieg von Kohlenstoff in der Atmosphäre in jüngster Zeit anlasten. Wenn wir die Klimakatastrophe und unser mögliches Aussterben abwenden wollen, müssen wir uns der Tatsache zuwenden, dass wir die Natur in all ihren Formen seit langem zerstören. Die Menschheit hat während des größten Teils ihrer Geschichte die Natur ausgebeutet. So weiterzumachen wie bisher bedroht jetzt allerdings unser Überleben. 

Der renommierte, an der Harvard-Universität lehrende Biologe E. O. Wilson sagt voraus, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts rund die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten entweder ausgestorben oder so geschwächt sein werden, dass sie bald danach verschwinden werden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es mindestens fünf Ereignisse in der Erdgeschichte gegeben hat, die zu einem massenhaften Artensterben geführt haben, doch dass dieses das schnellste von allen ist und das einzige, das eine einzige Art verursacht hat: wir.

Wir haben die Orientierung verloren

Die ganze ökologische Krise bestätigt, dass wir eine Weltzivilisation sind, die ihre Orientierung verloren hat. Die Krise der Natur ist im Kern eine Krise unserer Zivilisation. Wenn wir auf erneuerbare Energien umsteigen, wird das allein nicht dazu führen, dass wir nicht mehr hauptsächlich mit dem unendlichen Wachstum unserer Wirtschaft beschäftigt sind – und der oft sinnlosen Produktion und dem oft sinnlosen Konsumverhalten, die das bewirken, was sich nicht mit dem begrenzten Ökosystem der Erde verträgt. Aus einem buddhistischen Blickwinkel könnte viel dazu gesagt werden, warum uns unsere Fixierung auf Wachstum nicht die Befriedigung verschaffen kann, die wir uns von ihm erhoffen; doch ich möchte den Blick zunächst auf ein in diesem Zusammenhang aufschlussreiches Beispiel richten:

Die Japaner lieben Sashimi (eine Zubereitungsart von rohem Fisch oder Meeresfrüchten), am liebsten aus Blauflossen-Thunfisch. Unglücklicherweise ist diese Fischart eine der gefährdetsten auf der Welt. Doch der Mitsubishi-Konzern, eins der größten Unternehmen weltweit, ist auf eine geniale Idee verfallen: Er hat so viele Blauflossen-Thunfische wie möglich aufgekauft und beherrscht annähernd die Hälfte des Weltmarkts, während die Gesamtpopulation rasant abnimmt und sich dem Aussterben nähert. Die Fische werden importiert und bei -60° C in Mitsubishis gewaltigen Gefrierkammern eingefroren, denn sie werden astronomische Preise erzielen, wenn der atlantische Blauflossen-Thunfisch, wie vorhergesagt, für den Handel als ausgestorben gelten wird, weil Fangflotten eine unersättliche Nachfrage – vor allem die von Mitsubishi – zu decken versuchen.

Von einem ökologischen Standpunkt aus gesehen, ist dieses Vorgehen unmoralisch, obszön. Aus einer engen wirtschaftlichen Perspektive aber ist es folgerichtig, sogar schlau, denn je weniger Blauflossen-Thunfische sich im Ozean befinden, umso wertvoller werden Mitsubishis eingefrorene Vorräte. Es liegt in der Natur wirtschaftlicher Konkurrenz, dass sich Unternehmen wie Mitsubishi dazu ermutigt fühlen, so etwas zu tun: Wenn sie es nicht tun, dann wahrscheinlich jemand anders. So spielt sich die „Tragödie der Gemeingüter“ im globalen Maßstab ab.

Dieses Beispiel steht für viele andere, die auf eine grundlegende Perversität in ökonomischen Systemen, die von der Aussicht auf Gewinn angeregt werden, hinweisen. Dadurch neigen diese Systeme dazu, die Natur zu einem Mittel zu entwerten, das dem Ziel dient, die Wirtschaft zwecks Gewinnmaximierung anzutreiben. Dieser Fokus überschattet oft unsere Wertschätzung der Natur, das heißt, am Ende zerstören wir wirklichen Reichtum – eine blühende Biosphäre mit gesunden Wäldern und gesundem Humus, Ozeanen voller Leben und so weiter –, um die Zahlen auf den Bankkonten zu erhöhen. Eine derart perverse Logik stellt sicher, dass unsere kollektive Ausrichtung auf unendliches Wachstum – auf eine immer noch mehr gesteigerte Produktion und Konsumtion – unweigerlich an die Grenzen des Planeten stoßen muss. Und tatsächlich geschieht gerade genau das …

ENDE DER LESEPROBE

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David R. Loy

David Robert Loy, geboren 1947, ist ein US-amerikanischer Autor (u.a. von Erleuchtung, Evolution, Ethik, Berlin 2015) und Lehrer der Sanbo Kyodan-Tradition des japanischen Zen-Buddhismus.

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