Einige Fragen zum Leben des historischen Buddha Gautama

Ein Interview mit Dr. Olaf Beuchling geführt von Ursula Kogetsu Richard veröffentlicht in der Ausgabe 2014/3 Ist Buddhismus eine Religion? unter der Rubrik Im Gespräch.

Historisch-wissenschaftliches Interesse, aber auch die interkulturelle und interreligiöse Begegnung bringen es mit sich, dass sich Buddhistinnen und Buddhisten mit grundlegenden Fragen zur Historizität von religiösen Überlieferungen auseinandersetzen. Einige der zentralen Punkte zu Buddhas Leben werden im Folgenden in aller Kürze, aber auf dem gegenwärtigen Stand der buddhismuskundlichen Forschung, beantwortet.

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BUDDHISMUS aktuell: War Buddha Gautama eine historische Persönlichkeit?

Olaf Beuchling: Die Frage, ob es sich bei Siddhārtha Gautama, dem späteren Buddha Gautama, um eine historisch bezeugte Person handelt, zählte zu den frühsten Klärungsbestrebungen der Buddhismuskunde. Als der Indologe Hermann Oldenberg 1881 seine einflussreiche Buddhabiografie veröffentlichte, trat er damit auch zeitgenössischen Spekulationen entgegen, Buddha Gautama sei lediglich ein Mythos. Obgleich viele Quellen noch nicht übersetzt waren und archäologische Hinweise zur Geschichte des frühen Buddhismus weitgehend fehlten (so wurde Siddhārthas Geburtsort Lumbini erst 15 Jahre später entdeckt), machte Oldenberg geltend, dass die Überlieferung von konkreten Namen (wie dem Geschlecht der Śākyas) und Orten (wie dem unbedeutenden Kapilavastu) für die Geschichtlichkeit Gautamas sprächen, da diese Hinweise sinnlos seien, wenn es nur um die Tradierung eines transzendenten Buddha gegangen wäre.

Heutzutage kann darüber hinaus auf Übereinstimmungen von Ortschaften, archäologischen Funden, alten Inschriften und buddhistischen Texten, in denen das Wirken des Buddha dokumentiert worden ist, verwiesen werden. Zudem lässt sich eine zunehmende Legendenbildung, Ausschmückung und buddhologische Transzendierung aufzeigen, wie es sich u. a. gut am Beispiel der Geburtsgeschichte dokumentieren lässt. Für manche gilt auch die Existenz des buddhistischen Ordens, dessen Gründung auf Buddha selbst zurückgeht, als soziokultureller Beleg. Insofern haben alle namhaften Buddhismusforscher vergangener und gegenwärtiger Generationen kaum Zweifel an der Historizität des Buddha geäußert – was nicht im Widerspruch zu der Distanz steht, die man zahlreichen späteren Ausschmückungen im buddhistischen Schrifttum entgegenbringen muss.

Ba: Wie lässt sich die Existenz Buddha Gautamas historisch belegen?

OB: Die Quellen, auf die die historische Buddha-Forschung zurückgreift, sind vielfältig. Im Pāli-Kanon finden sich biografische Passagen, vor allem in der Mittleren Sammlung, im Mahāparinibbāna Sutta und in den Ordensregeln. Hierbei handelt es sich primär um Episoden zur Erleuchtung, zur Ordensgründung und zum Ableben des Buddha. Eigenständige Lebensbeschreibungen Gautamas sind späteren Datums: Das Mahāvastu ist aus den Pāli-Ordensregeln hervorgegangen und wurde wohl zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 4. Jahrhundert n. Chr. kompiliert; das dichterische Epos Buddhacarita, von dem auch eine chinesische und eine tibetische Version vorliegen, stammt aus dem 2. Jahrhundert n. Chr; ebenso wurde das Lalitavistara über einen längeren Zeitraum (zwischen dem 1. und 4. Jahrhundert n. Chr.) bearbeitet und steht bereits in doketischer Mahāyāna-Tradition. Aus Sri Lanka sind zudem noch die beiden Chroniken Mahāvaṃ Archäologische Funde wie Inschriften auf Steinsäulen, Felsen oder Höhlenwänden belegen die Existenz buddhistischen Lebens für die frühbuddhistische Epoche, erlauben aber nur wenig Rückschlüsse auf Lehrinhalte. Allerdings finden sich aus verschiedenen Gründen nur spärlich archäologische Belege für Buddha und seine Gemeinschaft vor der Regentschaft Aśokas (268–232 v. Chr.). Erst mit der Protegierung des Buddhismus durch den Maurya-Herrscher und seinen Pilgerfahrten zu wichtigen buddhistischen Stätten tauchen dann erste Inschriften und Steingebäude auf.sa und Dīpavaṃsa sowie die Nidānakathā („Erzählung von den Anfängen [des Buddha]“) hinzuzuziehen – letztere allerdings bereits ein Jahrtausend nach Buddhas Ableben verfasst.

Ba: Ist Buddha Gautama in außerbuddhistischen Quellen bezeugt?

OB: Der Jainismus um Mahāvīra und der Buddhismus entwickelten sich in regionaler und zeitlicher Nähe. Auch weisen beide Religionen terminologisch Gemeinsamkeiten auf. In frühbuddhistischen Schriften sind Dialoge zwischen Buddha und Anhängern Mahāvīras überliefert, während Buddha seinerseits in Schriften der Jainas erwähnt wird. Diese sind jedoch jüngeren Datums als die buddhistischen Quellen.

Ba: Wann lebte Buddha Gautama?

OB: Die Datierung Siddhārtha Gautamas ist nach wie vor unsicher. Eine Lebensspanne von 80 Jahren ist allgemein akzeptiert, Berechnungen setzen dann an seinem vermuteten Todesjahr an. In den Ländern des Theravāda-Buddhismus hat man sich auf das Jahr 544 v. Chr. als Todesjahr geeinigt und entsprechend im Jahr 1956 die 2500ste Wiederkehr des Parinirvāṇa Buddhas gefeiert (2014 ist nach buddhistischer Zeitrechnung dementsprechend das Jahr 2558). In der westlichen Wissenschaft wurde Buddhas Leben hingegen lange Zeit auf eine Zeitspanne um 560 bis 480 v. Chr. datiert. Internationale Konferenzen und Forschungen über die Lebenszeit Buddhas in den 1980er- und 1990er-Jahren datierten das Leben Buddhas um mehrere Jahrzehnte vor, auf einen Zeitraum um 450–370 v. Chr. Allerdings werden auch diese Berechnungen nicht durchgängig geteilt.

LITERATUR

Dr. Olaf Beuchling

ist Erziehungs- und Kultur-wissenschaftler, Autor und Research Fellow am Numata Zentrum für Buddhismuskunde der Universität Hamburg. Als Autor von fünf Büchern und zahlreichen Fachartikeln arbeitet er zurzeit an der autorisierten Biografie von Thich Nhu Dien.

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