Der Fall Sogyal Rinpoche und seine Folgen

Ein Beitrag von Ursula Kogetsu Richard veröffentlicht in der Ausgabe 2017/4 Erleuchtung unter der Rubrik Debatte.

Sogyal Rinpoche ist der Gründer der buddhistischen Gemeinschaft Rigpa, die weltweit in zahlreichen Ländern vertreten ist und sich in vielen Projekten, vor allem im Bereich spiritual care, engagiert. Seit etlichen Jahren kursieren im Internet Berichte über sexuelle Belästigungen oder sexualisierte Gewalt seitens Sogyal Rinpoche. 1994 wurde er von einer US-Amerikanerin deswegen verklagt. Außergerichtlich kam es zu einer Einigung zwischen Rigpa und der Klägerin gegen Zahlung einer Summe in unbekannter Höhe. Seither gab es immer wieder neue Vorwürfe, doch wurden sie bislang als unbewiesene Anschuldigungen Einzelner abgetan.

© Environmental Illness Network

Sogyal Rinpoche ist der Gründer der buddhistischen Gemeinschaft Rigpa, die weltweit in zahlreichen Ländern vertreten ist und sich in vielen Projekten, vor allem im Bereich spiritual care, engagiert. Seit etlichen Jahren kursieren im Internet Berichte über sexuelle Belästigungen oder sexualisierte Gewalt seitens Sogyal Rinpoche. 1994 wurde er von einer US-Amerikanerin deswegen verklagt. Außergerichtlich kam es zu einer Einigung zwischen Rigpa und der Klägerin gegen Zahlung einer Summe in unbekannter Höhe. Seither gab es immer wieder neue Vorwürfe, doch wurden sie bislang als unbewiesene Anschuldigungen Einzelner abgetan.
In einem Brief vom 14. Juli 2017 haben acht gegenwärtige und ehemalige Schülerinnen und Schüler – viele davon langjährig und in hohen Verantwortungspositionen bei Rigpa aktiv – ihrem Lehrer umfängliches missbräuchliches Verhalten vorgeworfen, routinemäßige sexuelle Übergriffe, massive körperliche Gewalt, einen verschwenderischen, unter anderem durch Spendengelder finanzierten Lebensstil. Sogyal Rinpoche hat schließlich in einem Brief an seine Sangha am 11. August 2017 seinen Rücktritt als spiritueller Leiter aller Organisationen, „die den Namen Rigpa tragen“ erklärt. Die Leitung Rigpas werde er einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern sowie einer Gruppe von Lamas seines Vertrauens übergeben.

Rigpa kündigt Schritte an

In einer Pressemitteilung von Rigpa am 10. August heißt es:
„Die Vorstände und Management-Teams von Rigpa werden, nachdem sie professionelle und spirituelle Beratung in Anspruch genommen haben, sicherstellen, dass folgende Schritte eingeleitet werden:

  1. Eine unabhängige Ermittlung durch einen neutralen Dritten bezüglich der verschiedenen Anschuldigungen, die vorgebracht wurden.
  2. Ingangsetzung eines internationalen Beratungsprozesses, um für Rigpa einen Verhaltenskodex aufzustellen und ein Beschwerdeverfahren einzurichten.
  3. Einrichtung eines neuen spirituellen Beratungsgremiums, das die Rigpa-Organisation leitet.

Diese Schritte werden von den Direktoren und Management-Teams von Rigpa auf der ganzen Welt eingeleitet, im Geiste echter Zusammenarbeit. Es wurden auch bereits Anlaufstellen eingerichtet, damit jedes Mitglied unserer Gemeinschaft die Möglichkeit hat, seine Wünsche, Sichtweisen und Anliegen zum Ausdruck zu bringen.“
Diese Pressemitteilung sowie eine vorangegangene vom 21. Juli 2017 auf der Website von Rigpa (www.rigpa.de/lang-de/ rigpa/presse.html) ist bislang der einzige Website-Hinweis von Rigpa Deutschland auf die gegenwärtigen Veränderungen.
Eine größere Aufmerksamkeit erhielten die Geschehnisse um Sogyal Rinpoche durch einen Beitrag von Michaela Haas, Autorin unter anderem von Buddhas furchtlose Töchter, der unter dem Titel „Quelle der Qual“ in der Süddeutschen Zeitung vom 11. August 2017 auf der Seite 3 erschien. Damit ist das Thema endgültig über tibetisch-buddhistische Kreise hinaus in einer breiteren Öffentlichkeit angekommen. BA-Website (http:// bit.ly/ 2iIa4As) haben wir die bislang wesentlichen Dokumente zur Verfügung gestellt, damit sich interessierte Leserinnen und Leser selbst ein Bild machen können, und werden dies auch weiterhin tun.

Es ist noch lange nicht zuende

Denn klar ist: Es ist mit dem Rücktritt Sogyal Rinpoches lange noch nicht zu Ende. Und es geht hierbei nicht nur um ihn und um Rigpa, also um einen Klärungsprozess ausschließlich in dieser Tradition. Letztlich geht es neben strafrechtlich vielleicht relevanten Tatbeständen auch um die Frage der Inkulturation des Buddhismus in den Westen, um die Rolle der Ethik, um die Frage, welchen Platz buddhistische Traditionen, die sich in feudalistisch-hierarchischen Strukturen entwickelt und daraus bislang nicht gelöst haben, in unserer westlichen Kultur einnehmen können und um die Frage, ob und wie sich diese Lehr- und Praxissysteme mit unseren westlichen Werten zusammenbringen lassen und was daraus folgt, wenn dem nicht so ist. Schließlich geht es auch um unsere Erlösungssehnsucht, die uns Dinge tun oder für richtig halten lässt, die unter Einschaltung unseres gesunden Menschenverstandes kaum nachzuvollziehen sind.
Im institutionellen Rahmen stellt sich einmal mehr mit neuer Dringlichkeit die Aufgabe, den Ethikrat innerhalb der DBU wiederzubeleben, der von der Mitgliederversammlung 2011 beschlossen wurde, aber nie wirklich etabliert wurde. Eine seiner wichtigsten Aufgaben wäre sicherlich, zeitnah eine Anlaufstelle für Menschen zu schaffen, die im buddhistischen Kontext von Missbrauch und Übergriffen betroffen sind. Allzu lang wurden die Opfer eher diffamiert, als dass ihnen Gehör geschenkt und Unterstützung angeboten wurde. Das sollte sich dringend ändern.

Ursula Kogetsu Richard

ist Verlegerin der edition steinrich, Autorin und Übersetzerin. Sie war viele Jahre Chefredakteurin von BUDDHISMUS aktuell und wurde im Herbst 2020 von Tanja Palmers zur Zen-Priesterin in der Phönix-Wolken-Sangha ordiniert.

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